Salvador – Nicht nur schön, auch schmerzhaft

Ich dachte, ich würde mich in Brasilien ausreichend auskennen. Ich dachte, ich wüsste, wie ich mich verhalten soll. Doch es kam alles anders.

Wenn Brasilien spielt, dann sind die Straßen leer. Kaum eine Menschenseele ist dann vor der Tür zusehen. Auch nicht in Salvador bei der Partie Brasiliens gegen Mexiko. Natürlich wollte auch ich nicht auf der Straße sein. Nicht, weil ich Angst – Nein, ich wollte ja schließlich das Spiel sehen.

Eigentlich war es angedacht, einen Kollegen beim Fanfest zu treffen und das Spiel zu genießen. Das war der erste Fehler zumindest von mir. Kaum am Eingang angelangt standen tausende Menschen an. Gefühlte 50 Grad in der Sonne und dann anstehen? Nein, dachte ich mir. Den Anfang hätte ich so oder so verpasst. Also bin ich die Strandpromenade/-straße entlang gelaufen und habe mir eine Bar gesucht. Es hat eine Weile und auch ein paar Meter gedauert, doch ich fand eine kleine aber feine, in der ich einkehrte.

Sie befand sich unweit meines Hotels, was noch mehr passte, denn ich wollte in der Halbzeit schnell heim, um nach einem heißen Tag des Durch-die-Gegend-Wanderns endlich duschen zu können. Damit ich nicht in zeitliche Engpässe geraten würde, habe ich – dank deutscher Gründlichkeit – natürlich beschlossen, ein bisschen vor der Pause loszuziehen.

Und wieder einer deutschen Tugend geschuldet – dieses Mal der Pünktlichkeit – beeilte ich mich und schaute immer wieder auf mein Handy, um die Zeit nicht aus den Augen zu verlieren. Einen dieser Momente nutzte ein Kerl aus, griff nach dem Handy, schlug mir ins Gesicht und drückte mich zu Boden.

Die erste Reaktion von mir war natürlich, dass ich mich wehren müsse. Erst, als er sich nicht „abschütteln“ ließ und immer aggressiver wurde, ist mir in den Sinn gekommen, dass man in Brasilien sich ja ganz anders verhalten sollte. Also habe ich locker gelassen und das Handy „aufgegeben“.

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Wer jetzt denken mag, ich verteufle Salvador oder gar ganz Brasilien, der irrt sich. Natürlich ist es eine Erfahrung, die ich mir auch gern hätte sparen können, aber ebenso habe ich auch erfahren, wie hilfsbereit die Menschen sein können. Ganz schnell kamen Passanten angerannt, haben die potenziellen Täter verfolgt (irgendwie kam auch ein zweiter dazu, das habe ich jedoch nicht genau mitbekommen) oder haben mit ihren Autos gestoppt.

Hilfsbereit sind die Brasilianer eben auch. Und nicht nur, wenn man angegriffen wird. Ich erinnere mich nun immer wieder gern an manch einen Deutschen, der bei einer solchen Aktion tatenlos daneben gestanden hätte. Gott sei Dank war weder den helfenden Händen noch mir etwas passiert. Dachte ich.

Erst später habe ich gemerkt, dass meine Knie total blutig, mein Fußgelenkt angeschwollen und ebenso blutgetränkt war. Ein Arzt? Ach was, dass geht von allein wieder weg. Es verheilt auch von allein, ein bisschen humpeln werde ich noch in den kommenden Tagen, aber es ist ja nichts wirklich Schlimmes passiert.

Auch bei der Polizei habe ich gemerkt, welch ein Glück ich hatte. Nicht, weil es die Beamten mir gesagt hätten, nein. Ein Pärchen aus Frankreich wurde „richtig“ überfallen und mit einem „monströsen“ Messer (so haben sie es beschrieben, so weit ich es verstanden habe) bedroht. Man möge sich nur ausmalen, der Täter hätte sie damit verletzt…

Ich für meinen Teil habe gelernt, dass ich noch vorsichtiger sein sollte. Aber auch, dass nicht die Bewohner einer Stadt dafür verantwortlichen sind oder gar ein ganzes Land. Selbstverständlich habe ich im Schock erst einmal alles und jeden verteufelt, aber im Endeffekt habe ich auch die Hilfsbereitschaft vieler Leute erfahren, die es – da bin ich sicher – in Deutschland nicht gegeben hätte.

Und ja, eine Erfahrung war es auch. Manchmal tut Journalismus eben auch weh.

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Veröffentlicht am 20/06/2014 in Fußball International, WM 2014 und mit , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

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