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„Weltenbummler“ Lutz Pfannenstiel: „Der BVB hat eine große Chance, den Bayern die Saison zu verderben“
INTERVIEW
Von Andreas Becker
Berlin. Lutz Pfannenstiel ist die Begeisterung immer noch anzumerken. Auf sechs Kontinenten war es als Spieler und Trainer aktiv. Seine schönsten Erinnerungen hat er dabei an Brasilien, dem Land, das im kommenden Jahr die Fußball-Weltmeisterschaft austragen wird.
In den höchsten Spielklassen Deutschlands war Pfannenstiel nie aktiv, seit etwas mehr als einem Jahr arbeitet er aber als Scout für 1899 Hoffenheim. Über diesen Job, seine bewegte Karriere und die Erfahrungen als „Weltenbummler“ und das deutsche Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund sprach er in unserem Interview.
Herr Pfannenstiel, Sie sind als Weltenbummler bekannt. Wo war es am schönsten?
Lutz Pfannenstiel: Das ist eine schwierige Frage. Da würde ich zwischen sportlichem und normalem Leben unterscheiden. Brasilien war sowohl sportlich als auch kulturell eine tolle Geschichte. Für mich als Fußballer war es eine große Ehre, in Brasilien spielen zu dürfen. Es gibt nur wenige Europäer, die das Glück gehabt haben, dort Profi zu sein. Das Leben generell in Brasilien ist halt super. Dann war auch Vancouver vom Lifestyle her eine tolle Geschichte. Emotional hängt auch viel an England, Norwegen und Neuseeland. Brasilien könnte man aber als Nummer eins nennen.
Was war denn das Besondere am Fußball in Brasilien?
Lutz Pfannenstiel: Die Stadien waren damals teilweise alte Burgen, da kann man nicht von modernen Arenen sprechen. Aber die Stimmung im Stadion und das ganze Drumherum ist so etwas wie eine Religion, der Fußball bedeutet den Leuten noch mehr als zum Beispiel in Deutschland. Der Fußball ist für die Brasilianer die Liebe des Lebens. Es war emotional eine tolle Geschichte, das aufsaugen zu dürfen. Ein Höhepunkt war ohne Zweifel eines meiner ersten Spiele im legendären Maracana.
Wie sehr freuen Sie sich auf die Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Brasilien?
Lutz Pfannenstiel: Die WM ist natürlich für mich etwas Besonderes, weil ich bisher der einzige Deutsche war, der dort als Profi aktiv war. Ich werde wieder viel für das Fernsehen machen, werde auch schon vom Confed-Cup berichten. Bis nächstes Jahr wird Brasilien eines meiner Hauptdomizile werden. Auch, weil es für mich viel zu scouten gibt für meinen eigentlichen Beruf (Pfannenstiel arbeitet als Scout für 1899 Hoffenheim, Anm. d. Red.).
Haben Sie denn für Hoffenheim schon einen Spieler im Auge?
Lutz Pfannenstiel: Wenn ich ihnen das jetzt sagen würde, dann müsste ich sie anschließend töten – top secret also. Aber Spaß beiseite. Es gibt natürlich viele interessante Spieler aus vielen Ländern oder innerhalb Deutschlands. Aber wenn ich das jetzt sagen würde, wäre ich natürlich ein Blödmann (lacht).
Wollen Sie die nächsten Jahre weiter als Scout arbeiten, oder können Sie sich vorstellen, auch nochmal als Trainer oder Torwarttrainer zu arbeiten?
Lutz Pfannenstiel: Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich war, bevor mich Hoffenheim verpflichtet hat, erst Co-Trainer, dann Torwarttrainer und zum Schluss Nationaltrainer in Namibia. Das hat mir riesigen Spaß gemacht. Ich denke, man soll sich nie eine Tür zuschlagen. Meine Aufgabe jetzt lässt sich halt gut mit meiner Vergangenheit vereinbaren. Mal sehen, was die Zukunft bringt.
Wäre England da ein Traumziel?
Lutz Pfannenstiel: Ich war ja lange in England, habe immer noch gute Beziehungen und Familie dort. Das ist eine Herzensangelegenheit. Aber nach den ganzen langen Reisen durch die Welt, habe ich mich inzwischen wieder an Deutschland gewöhnt und mir macht die Arbeit bei Hoffenheim großen Spaß, da kann man weiterhin etwas Großes aufbauen. Ich stresse mich da erst mal nicht und warte einfach ab, was als Nächstes kommt. Jetzt habe ich gerade eine klare Aufgabe und will mit Hoffenheim noch einiges erreichen.
Würden Sie Spielern und Trainern raten, im Ausland Erfahrungen zu sammeln?
Lutz Pfannenstiel: Für einen Spieler ist es sicherlich nicht schlecht, mal Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Das ist die beste Schule des Lebens. Ich denke, das ist eine große Lebenserfahrung, welche die Persönlichkeit weiterentwickelt.
Ganz Deutschland spricht seit Wochen nur vom Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund. Wie ist Ihr Tipp?
Lutz Pfannenstiel: Ich habe das große Glück, das Spiel für BBC kommentieren zu dürfen. Ich sehe das sehr neutral. Aber es ist natürlich eine wunderbare Geschichte, dass zwei deutsche Mannschaften im Finale sind. Letztes Jahr habe ich das Finale auch für die BBC kommentiert und eine dicke Lippe riskiert. Am Ende haben die Bayern gegen Chelsea verloren und ich wurde ungerechterweise ausgelacht. Das passiert dieses Mal schon mal nicht, denn es gibt zumindest einen deutschen Sieger. Wer das dann ist, muss ich ehrlich sagen, ist mir egal. Die bessere Mannschaft soll gewinnen.
Allerdings hat der FC Bayern eine Mega-Saison gespielt und momentan wohl die beste Bayern-Mannschaft aller Zeiten. Das spricht für die Bayern. Aber durch die jungen Wilden und den erfrischenden Fußball, den die Dortmunder spielen – dazu der große Motivator Jürgen Klopp -, denke ich, dass der BVB in diesem einen Spiel eine große Chance hat, den Bayern die Saison noch zu verderben. Bayern ist diese Gefahr bewusst, weshalb sie unter großem Druck stehen. Dortmund hat weniger zu verlieren.