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Trainerlegende Dettmar Cramer: „Die Bayern hätten den Titel verdient“
Von Andreas Becker
Berlin. Dettmar Cramer hatte in jungen Jahren großes Glück. Kein geringerer als Sepp Herberger nahm sich der Karriere des späteren „Weltenbummlers“ an. Cramer selbst erzählt gern von seiner Anfangszeit, wie er bei den Herbergers ein- und ausging und wie ihn der erste deutsche Weltmeister-Coach förderte. Doch auch von Unstimmigkeiten in Sachen Karriereplanung berichtet Cramer. Alles in allem zählt für den heute 88-Jährigen allerdings nur eines: „Was ich im Fußball geworden bin, verdanke ich Sepp Herberger.“
Ein Held in Japan
Dettmar Cramer hat in seiner langen Karriere viel erlebt, war unter anderem Trainer beim DFB, Nationaltrainer der USA und in Saudi-Arabien und arbeitete in Japan, wo er bis heute verehrt und geliebt wird. Die Japaner rechnen ihm hoch an, dass er den Fußball in ihrem Land etabliert und in die Moderne geführt hat. In 90 Ländern lehrte er Fußball. Das brachte ihm nicht nur das Bundesverdienstkreuz und zwei Ehrenprofessuren ein, sondern er wurde von den Mohikanern und Sioux auch ehrenhalber zum Häuptling ernannt.
Titel mit dem FC Bayern
Seine sportlich erfolgreichste Zeit erlebte er jedoch beim FC Bayern München. In Deutschland war Cramer zudem bei Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen und Hertha BSC Berlin aktiv. Im Januar 1975 übernahm er bei den Bayern den Posten von Udo Lattek, der mit dem Klub 1974 zum ersten Mal den Landesmeister-Cup, dem Vorgänger der Champions League, gewonnen hatte. Keine leichte Aufgabe für Cramer, der keinen guten Start in der Liga erwischte und gleich in der Kritik stand. Allerdings hatte er mit Franz Beckenbauer einen großen Fürsprecher im Klub. „Die Ära Lattek ist vorbei, jetzt beginnt die Ära Cramer“, sagte Beckenbauer.
„Fußball-Professor“ und „Napoleon“
Die Bundesliga-Saison 1975/76 schloss Dettmar Cramer mit den Bayern „nur“ auf Platz drei ab. Im Europapokal der Landesmeister konnte er den Titel jedoch verteidigen. Im Finale siegte der FC Bayern mit 2:0 gegen Leeds United. Ein Jahr später konnte er den Erfolg sogar wiederholen (1:0 gegen AS St. Etienne). Dazu gewannen die Bayern 1976 zum ersten Mal den Weltpokal. Ein Triumph, den es bis heute so nicht mehr gegeben hat beim deutschen Rekordmeister. Für Sätze wie „Fußball ist ein Spiel aus Raum und Zeit“ bekam Cramer den Spitznamen „Fußball-Professor“. Auch „Napoleon“ wurde er gerufen, weil Beckenbauers frühere Freundin Diana Sandmann ihn im alten Münchner Olympiastadion in Napoleon-Montur ablichten ließ – seine Größe von 1,65 Meter tat sein übriges.
Schönste Zeit bei den Bayern
Da Dettmar Cramer in der Bundesliga an die europäischen Erfolge nicht anschließen konnte – Meister wurde er mit den Bayern nie -, wurde er im Dezember 1977 entlassen. Trotzdem beschreibt Cramer seine Zeit beim FC Bayern als „meine schönsten Jahre“. Und so wird die in Dortmund geborene Trainerlegende am kommenden Samstag auch den Bayern im Champions-League-Finale gegen Borussia Dortmund die Daumen drücken, wie er im Interview verriet. „Ich gratuliere beiden deutschen Mannschaften zum Erreichen des Endspiels. Ich wünsche mir und erwarte ein ideales Fußballspiel – nämlich eine Synthese von Erfolg und Schönheit für beide Mannschaften“, sagte er.
Titel nach München
„Wenn man einen Blick auf die zurückliegende Saison wirft, hätten die Bayern den Titel verdient. Der erfolgreichere Spielstil wird sich durchsetzen, aber auch Glück gehört dazu.“ Am Ende des Gesprächs schob Cramer noch den tiefgründigen Satz hinterher: „Fußball ist ein Spiegel des Lebens. Sowohl positiv als auch negativ.“ Da war er wieder der „Fußball-Professor“.