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„Fußball Brasil“: Fußball in Brasilien verstehen lernen
Die WM in Brasilien ist schon wieder Geschichte. Vier Wochen Tore und Spannung satt. Eine ausgelassene Stimmung, die vorher so niemand für möglich gehalten hat. Und am Ende mit einem sensationellen Ausgang für das deutsche Team: Weltmeister! Endlich der vierte Stern!
Was bleibt noch in Erinnerung von der WM 2014?
Vor allem die beeindruckenden Bilder aus dem ganzen Land. Brasilien bewies: Nirgendwo sonst hat dieser Fußball eine solche Macht und Magie wie im größten Land Südamerikas. Das Leiden und Mitleid mit der brasilianischen Mannschaft – das vergisst man nicht.
Wer noch einmal verstehen will, was Fußball dem Land bedeutet, sollte sich den wunderschönen Bildband „Fußball Brasil“ des argentinischen Fotografen Christopher Pillitz zur Hand nehmen. Pillitz braucht dabei nicht viel Text, um das Schöne, Einzigartige und das Mysteriöse des Sports zu erklären. Er lässt Bilder sprechen: einfache Holztore am Wasser, die Christus-Statue an der Copacabana mit einer brasilianischen Flagge in der Hand, ein Fußballplatz auf dem Dach eines Hochhauses oder auf einer Bohrinsel. Und klar: Überall kickende Leute, junge und alte – und fußballbegeisterte Mönche.
Sieht man diese Bilder, bekommt man selbst Lust zu spielen. Sie strahlen eine Magie aus. Christopher Pillitz begrenzt sich dabei allerdings nicht nur auf das Schönes des Spiels, sondern er zeigt auch Fotos von Hinterhöfen und Schrottplätzen, wo Fußball gespielt wird. Der Fußball wird dort als Möglichkeit gesehen, dem tristen Alltag zu entfliehen.
„Fußball Brasil“ ist ein buntes und interessantes Buch. Wertvoll nicht nur für fußballbegeisterte Leser.
![Christopher Pillitz "Fußball BRASIL", Gebundenes Buch, Pappband, 192 Seiten, 24,0 x 28,0 cm, 175 farbige Abbildungen ISBN: 978-3-7913-4895-7 € 29,95 [D] | € 30,80 [A] | CHF 40,90 *](https://11plus3.files.wordpress.com/2014/08/insightimage.jpg?w=255&h=300)
Christopher Pillitz „Fußball BRASIL“, Gebundenes Buch, Pappband, 192 Seiten, 24,0 x 28,0 cm, 175 farbige Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-4895-7
€ 29,95 [D] | € 30,80 [A] | CHF 40,90 *
„Gauchogate“? – Auf dem Boden bleiben!
KOMMENTAR
Ich kann es nicht glauben. Da wird die DFB-Elf zum vierten Mal in der Geschichte Weltmeister, holt zum ersten Mal als wiedervereinigtes Deutschland die größte Fußballkrone der Welt und was passiert? Man meckert mal wieder über einen angeblich verhöhnenden und den Gegner diffamierenden Tanz der WM-Helden auf der Fanmeile in Berlin.
Nun sollte es aber ganz deutlich heißen: Auf dem Boden bleiben! Der Gaucho-Tanz war einfach ein kleiner Witz. Nicht mehr. Genauso wie Thomas Müller noch in Rio de Janeiro eine kolumbianische TV-Reporterin veräppelte. Es war ein kleiner Schabernack, keine Bosheit. Die gesamte WM über haben wir – wie es auch stets sein sollte – den Gegner mit dem allergrößten Respekt behandelt.
Oder darf man als aus Deutschland kommender Sieger gar nicht mehr jubeln? Ist es auch rassistisch zu singen, dass „wir die Nummer 1 der Welt“ seien? Im Grunde macht man damit jede andere Nation, jedes andere Volk schlecht, oder?
Es liegt aber nun einmal in der Natur der Deutschen zu meckern. Und bei jeder WM kommt eine solche Diskussion auf. Da wird die Freude über eine erfolgreiche deutsche Nationalmannschaft plötzlich in die Nazi-Ecke gerückt. Ernsthaft, geht es noch?
Natürlich, die Bilder, die im Netz kursieren (Deutschlandfahnen mit Hakenkreuzen und eindeutig rassistischen Kommentaren) sind unterste Schublade und widerwärtig. Aber sich darüber zu beschweren, dass Deutschlandfahnen oder Wimpel im ganzen Land zu sehen sind? Dass eine Nation – ein „Wir – stolz auf eine Mannschaft oder eine Leistung ist? Ist mal wieder typisch Deutsch. Leider.
So macht es keinen Spaß Fußballfan zu sein. Es muss doch möglich sein, sich normal, bodenständig freuen zu dürfen. Ohne gleich in die Nazi-Ecke gerückt zu werden. Jede Art von Rassismus oder sonst menschenverachtende Gedanken gehören raus aus dem Stadion, aber freudiger, lebendiger Jubel – auch mit einem kleinen Augenzwinkern – ist nicht falsch.
Fabian Biastoch
Salvador: „Menschen brauchen Perspektive, bekommen aber nur Tristesse“
Die ersten Tage in Salvador waren aufregend. Vor allem wegen des klasse 4:0-Sieges der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal! Danach folgte ein Hammersieg der Franzosen gegen die Schweiz und was die Zukunft noch bringt, das werden wir alle erst noch sehen, wer kann schon in die Zukunft schauen, ganz klar niemand.
In Salvador geht das Leben nun auch ohne Fußball erst einmal weiter. Ein paar Spiele wird es hier noch geben, nach der Französisch-Schweizerischen Invasion wird es für ein paar Tage wieder etwas ruhiger.
Da bleibt genug Zeit, um sich die Stadt anzuschauen. Und sie hat viel zu bieten! Egal, ob nun der Fahrstuhl Elevador Lacerda, der die Unter- mit der Oberstadt verbindet oder das ganze Viertel Pelourinho. Hier lebt die Kultur Afrikas, die nach Salvador gebracht wurde weiter. Doch ganz so bunt, wie auf vielen Bildern ist es dann aber doch nicht.
Ganz klar sind die Menschen und die Straßen bunt geschmückt, aber die Häuser verfallen langsam wieder nachdem sie vor einigen Jahren noch renoviert worden waren. Ein Besuch lohnt sich aber dennoch, denn faszinierend sind die Capoeira-Tänzer oder auch die zahlreichen Marktstände in jedem Fall. Eben ein typisches Viertel für Touristen.
Die Gefahr in Salvador ist jedoch der kaum zu sehende Unterschied zwischen armen und reichen Gegenden. Natürlich ist am Stadtrand – wie wohl in fast allen brasilianischen Metropolen – eine Gegend, die Touristen oder Fremde besser nicht aufsuchen, aber auch im Stadtkern verwischt die Linie. Was natürlich an sich nicht schlimm ist, da somit die ärmeren Menschen nicht ausgegrenzt werden, macht es für Touristen gefährlich.
Man geht eine vermeintlich sichere Straße entlang und findet sich auf einmal in einem gefährlichen Gebiet. Die Grenzen verwischen. Auf der einen Straßenseite ein supermodernes und teures Shopping Center auf der anderen nur wenige Meter entfernt verlassene oder zerfallene Häuser/Armenviertel. Unweigerlich werden viele Touristen rund um das Stadion in Armenviertel gelockt, rund um Pelourinho sollte man die kleinen Gassen meiden und generell stets mit den Massen schwimmen. Nicht nur eine plumpe Empfehlung, sondern nach eigenen Erfahrungen ein sehr gut gemeinter Rat.
Schnell merkt man, warum Salvador eine der gefährlichsten Städte der Welt und demzufolge auch Brasiliens ist. In den „normalen“ Straßen patrouillieren Militärpolizei und private Sicherheitsdienste in Massen. Die Überwachung läuft sozusagen.
Als die Polizei im April knapp drei Tage lang gestreikt hat, ereigneten sich in Salvador rund 50 Morde! Natürlich sind es oft Gewaltverbrechen unter Drogenhändlern oder kriminellen Banden, aber das Problem ist dennoch vorhanden und will gelöst werden.
Viel beängstigender ist aber der Fakt, dass nach der WM die ganze Sicherheit wieder weg ist. Dann zieht die Polizei ihre Massen wieder ab und die Menschen müssen auf sich selbst aufpassen. Wie auch in Rio de Janeiro ist die Herangehensweise von kurzfristiger Natur gewesen. An eine langfristige Lösung der Gewaltprobleme habe man nicht gedacht, sagen die schwerbewaffneten Beamten auf der Straße. „Die Menschen brauchen Bildung und Perspektive. Bekommen aber nur Tristesse geboten“, fügt ein weiterer hinzu.
Die Vorteile, die diese WM haben soll, kommen nicht bei den „kleinen“ Menschen an. Sie werden auch nach dem Finale noch in ihren kaputten Häusern wohnen und keine Bildung oder Gesundheitsvorsorge haben. Brasilien ist ein Land, in dem die Wirtschaft brummt, aber die Menschen nichts davon haben. Diese Zutaten haben einmal Proteste ausgelöst, sind aber auch mehr als nur gut für eine Revolution. Es muss sich etwas ändern. Die Welt blickt auch weiterhin auf dieses schöne aber leider auch nicht ausgewogene Land. Sie muss es.
Umweltschutz adé! – Der dreckige Rio Camarajipe
Es ist heiß in Salvador. Nicht nur die Hitze macht einem zu schaffen, auch die Schwüle ist für den einen oder anderen Europäer nicht leicht zu ertragen.
Diese Konstellation ist für Bakterien und Abwässer gerade zu traumhaft. So auch für den Rio Camarajipe in Salvador. Unweit des Hotels machte sich ein leichter Fäulnisgeruch breit. Vielleicht Müll? Nein, es war der Fluss. Noch bis vor ein paar Jahren diente er immerhin als Grundwasserversorgung für das Viertel.
Heute mehren sich die Abfälle, Schmutz und andere Überbleibsel in ihm. Wie so viele Flüsse endet auch dieser im Meer. Was sich auf der Karte erst als idyllisch ersah, erwies sich später als purer Dreck. Eine braune Brühe bahnt sich den Weg in den Ozean.
Blaues Wasser? Nicht zu erkennen! Es ist Dreck pur. Auf Nachfrage wollte sich niemand dazu äußern, doch eines steht fest: Die Stadt hat es noch nicht geschafft, den Fluss zu bereinigen. Immer wieder haben sie es mit Tanklastern versucht – Wasser abgepumpt, doch sauber geblieben ist er nicht.
Dass der aktuelle Zustand eine Ausnahme ist, erscheint sehr unwahrscheinlich. Die Farbe – braun – spricht dagegen, ebenso der Fakt, dass es in Salvador das ganze Jahr über recht warm ist und so kaum eine Besserung in Kraft treten kann.
Natürlich ist es nur ein kleines Problem. Der Fluss ist wenige Kilometer lang und durchfließt „nur“ Salvador. Aber diese kleinen Probleme mehren sich und werden in einer wachsenden Industrienation irgendwann zu einem großen. Nicht nur die Schere zwischen arm und reich in Brasilien ist problematisch auch die Umweltsünden – wenn auch in diesem Fall nur im Kleinen – sind nicht zu übersehen.
Salvador – Nicht nur schön, auch schmerzhaft
Ich dachte, ich würde mich in Brasilien ausreichend auskennen. Ich dachte, ich wüsste, wie ich mich verhalten soll. Doch es kam alles anders.
Wenn Brasilien spielt, dann sind die Straßen leer. Kaum eine Menschenseele ist dann vor der Tür zusehen. Auch nicht in Salvador bei der Partie Brasiliens gegen Mexiko. Natürlich wollte auch ich nicht auf der Straße sein. Nicht, weil ich Angst – Nein, ich wollte ja schließlich das Spiel sehen.
Eigentlich war es angedacht, einen Kollegen beim Fanfest zu treffen und das Spiel zu genießen. Das war der erste Fehler zumindest von mir. Kaum am Eingang angelangt standen tausende Menschen an. Gefühlte 50 Grad in der Sonne und dann anstehen? Nein, dachte ich mir. Den Anfang hätte ich so oder so verpasst. Also bin ich die Strandpromenade/-straße entlang gelaufen und habe mir eine Bar gesucht. Es hat eine Weile und auch ein paar Meter gedauert, doch ich fand eine kleine aber feine, in der ich einkehrte.
Sie befand sich unweit meines Hotels, was noch mehr passte, denn ich wollte in der Halbzeit schnell heim, um nach einem heißen Tag des Durch-die-Gegend-Wanderns endlich duschen zu können. Damit ich nicht in zeitliche Engpässe geraten würde, habe ich – dank deutscher Gründlichkeit – natürlich beschlossen, ein bisschen vor der Pause loszuziehen.
Und wieder einer deutschen Tugend geschuldet – dieses Mal der Pünktlichkeit – beeilte ich mich und schaute immer wieder auf mein Handy, um die Zeit nicht aus den Augen zu verlieren. Einen dieser Momente nutzte ein Kerl aus, griff nach dem Handy, schlug mir ins Gesicht und drückte mich zu Boden.
Die erste Reaktion von mir war natürlich, dass ich mich wehren müsse. Erst, als er sich nicht „abschütteln“ ließ und immer aggressiver wurde, ist mir in den Sinn gekommen, dass man in Brasilien sich ja ganz anders verhalten sollte. Also habe ich locker gelassen und das Handy „aufgegeben“.
Wer jetzt denken mag, ich verteufle Salvador oder gar ganz Brasilien, der irrt sich. Natürlich ist es eine Erfahrung, die ich mir auch gern hätte sparen können, aber ebenso habe ich auch erfahren, wie hilfsbereit die Menschen sein können. Ganz schnell kamen Passanten angerannt, haben die potenziellen Täter verfolgt (irgendwie kam auch ein zweiter dazu, das habe ich jedoch nicht genau mitbekommen) oder haben mit ihren Autos gestoppt.
Hilfsbereit sind die Brasilianer eben auch. Und nicht nur, wenn man angegriffen wird. Ich erinnere mich nun immer wieder gern an manch einen Deutschen, der bei einer solchen Aktion tatenlos daneben gestanden hätte. Gott sei Dank war weder den helfenden Händen noch mir etwas passiert. Dachte ich.
Erst später habe ich gemerkt, dass meine Knie total blutig, mein Fußgelenkt angeschwollen und ebenso blutgetränkt war. Ein Arzt? Ach was, dass geht von allein wieder weg. Es verheilt auch von allein, ein bisschen humpeln werde ich noch in den kommenden Tagen, aber es ist ja nichts wirklich Schlimmes passiert.
Auch bei der Polizei habe ich gemerkt, welch ein Glück ich hatte. Nicht, weil es die Beamten mir gesagt hätten, nein. Ein Pärchen aus Frankreich wurde „richtig“ überfallen und mit einem „monströsen“ Messer (so haben sie es beschrieben, so weit ich es verstanden habe) bedroht. Man möge sich nur ausmalen, der Täter hätte sie damit verletzt…
Ich für meinen Teil habe gelernt, dass ich noch vorsichtiger sein sollte. Aber auch, dass nicht die Bewohner einer Stadt dafür verantwortlichen sind oder gar ein ganzes Land. Selbstverständlich habe ich im Schock erst einmal alles und jeden verteufelt, aber im Endeffekt habe ich auch die Hilfsbereitschaft vieler Leute erfahren, die es – da bin ich sicher – in Deutschland nicht gegeben hätte.
Und ja, eine Erfahrung war es auch. Manchmal tut Journalismus eben auch weh.
Serie A protestiert gegen die WM-Planungen
Seit Monaten firmiert sich ein Protest gegen die WM-Planungen des brasilianischen Fußballverbandes CBF. Am Mittwochabend haben nun auch die Spieler deutlich Stellung bezogen.
Im Spiel Sao Paulo gegen Flamengo entschlossen sich die Spieler nach Anpfiff den Ball einfach nur hin und her zu kicken. Zuerst standen beide Teams in einem Kreis zusammen, dann erfolgte der Anpfiff und für mehr als eine Minute wanderte der Ball nur von links nach rechts.
Hintergrund der Proteste, die am Mittwochabend in unterschiedlicher Art und Weise bei jeder Partie auftraten, ist der Spielkalender für das WM-Jahr 2014. So findet das Turnier für in Brasilien kickende Spieler zu einem ungünstigen Zeitpunkt statt, da die Pause zwischen den Staatsmeisterschaften in den ersten Monaten des Jahres und der Serie A nicht gegeben ist bzw. im neuen Kalender der Pausen viel zu kurz kommen. Durch die „Unterbrechung“ im Juni und Juli fehlen im Kalender einfach vier Wochen, die die an anderer Stelle wieder eingeholt worden und somit weniger Verschnaufpause für alle mit sich bringt.
Bei allen Spielen worden von den Fußballern Banner mit der Aufschrift „Por um futebol melhor para todos“ (Für einen besseren Fußball für alle) und „Freunde des CBF. Wo bleibt die Vernunft?“ hochgehalten. Zudem kreuzten die Spieler die Arme und protestierten auch schweigsam.
Mané Garrincha – eine gebrochene Legende
Jedes Jahr am Ende des zehnten Monats jährt sich das Geburtsdatum des in Brasilien neben Pelé als besten Fußballer aller Zeiten gefeierten Manoel Francisco dos Santos, bekannt als Garrincha.
Während Jahrhundertfußballer Pelé sein Leben nach dem Ende seiner Karriere vermarktete, brach Garrincha zusammen. Als Kind wegen seiner ungleich langen Beine gekränkt, soll er schon in frühen Jahren dem tückischen Gift namens Alkohol verfallen sein. Sein Schmerzen ertrank er so, im Privaten kam er nie zurecht.
Auf dem Platz glänzte er neben und manchmal auch mehr als Pelé. Nicht Wenige sagen, dass Pelé geschätzt werden, aber wirklich verehrt und vergöttert wird nur der Junge mit den krummen Beinen, der niemals umfiel. Immer wieder ist es ein Trick, der mit der Alegria de Povo, der Freude des Volkes, in Verbindung gebracht wurde. Einmal, zweimal antäuschen, mit dem Oberkörper wippend vor und zurück springend, plötzlich stoppt er, am Gegner vorbei ziehen und noch einmal inne halten, um den Verteidiger wieder herankommen zu lassen, um ihn dann wieder eines besseren Fußballs zu belehren.
Der Stern des wohl besten Rechtsaußen der Welt ging 1958 bei der Weltmeisterschaft in Schweden auf. Die Leute wussten damals, dass sie Zeugen eines einzigartigen erstens Auftretens eines ebenso einzigartigen Fußballers waren.
Zweimal durfte er weltmeisterliche Ehren in Empfang nehmen. Der Glanz, das Verehren der Menschen auf der Straße sollte aber nicht reichen. Alkoholflaschen pflasterten seinen Weg, sein Leben war geprägt davon. Mehrere Autounfälle waren die Folge, bei einem starb gar seine damalige Schwiegermutter.
Die Menschen wussten es, sie verehrten ihn dennoch. Von der Flasche weg bekamen ihn aber nicht. Kurz nach der WM 1982, als das trickreiche brasilianische Spiel, ein abruptes Ende fand, schied auch Garrincha aus dem Leben. Im Suff. Vom Schnaps und Wein geprägt, verarmt im Alter von nur 49 Jahren.
Tausende Anhänger ehrten ihn bei der Beerdigung ein letztes Mal. Auf seinem Grabstein steht: „Hier ruht in Frieden einer, der das Volk glücklich gemacht hat – Mané Garrincha“
Caxias vibrierte unter den Füßen von Gremio und Internacional
Das Gre-Nal, Gremio Porto Alegre gegen Internacional. Ein Derby der Gegensätze. Am Sonntag wurde es wieder ausgetragen. Dieses Mal im kleinen, intimen Estadio Centenario in Caxias do Sul.
Das Spiel ist noch gar nicht angepfiffen. Der Spielbeginn ist noch weit weg, doch das Stadion bebt. Die Inter-Fans klopfen an den Zaun, der sie eingrenzt. Sie springen, singen lautstark, schreien sich das erste Mal die Seele aus dem Leib. Der Grund ist schnell ausgemacht. Der Mannschaftsbus von Gremio ist eingebogen und unter der Beobachtung der Colorado unter der Arena verschwunden.
Ein zweites Mal höre ich diese Lautstärke als Gremio zum Warmmachen auf das Feld kommt. Den Anfang macht der Keeper. Mit Dida steht kein Unbekannter im Tor Gremios. Ganz im Gegenteil. Der langjährige Nationalkeeper und Weltmeister 2002 wird dennoch ausgepfiffen und mit Flüchen belegt. Als Internacional den Rasen betritt bebt das Stadion aufs Neue. Ich spüre die Vibrationen, die Lautstärke ist ohrenbetäubend.
Einer wird ganz besonders gefeiert: Andres D’Alessandro. Der ehemalige Wolfsburger ist in Porto Alegre zur rot-weißen Legende geworden. D’Ale, D’Ale-Rufe hallen ihm entgegen. Der Kapitän reckt die Arme in die Höhe, stimmt seine Fans ein. Diese feiern ihn und das gesamte Team.
Das Spiel wird angepfiffen. Etwas zu spät, aber der Pfiff ertönt. Nur wenige Minuten sind auf der Uhr abgelaufen, da scheppert es das erste Mal. Raketen steigen neben dem Stadion in die Luft. Feuerwerk brennt ab, Inter hat getroffen! Sie führen gegen den verhassten, kleineren Stadtrivalen. Schnell singen die Fans euphorisch „Segunda Divisao“ in Richtung der Gäste-Anhänger.
Kurz vor der Halbzeit dann der tiefe Schock in den Gliedmaßen. Gremio gleicht aus, Jackson hat ins eigene Tor getroffen, liegt am Boden und ist untröstlich. Ein Eigentor im brisanten Derby! Was kann es Schlimmeres geben!
Inter wackelt danach, die Fans können sie nicht stützen und lassen sie fallen. Das zweite Gegentor nach einem zu leichten Fehler, niemand singt mehr, kein vibrieren spüre ich unter meinen Füßen.
Langsam fängt sich das Team auf dem Platz, langsam fangen sich die Anhänger auf den Rängen wieder. Als der Schiedsrichter auf den Punkt von Gremio und D’Ale den Ausgleich erzielt, kennt die Arena kein Halten mehr. Niemand kann diese Masse nun noch stoppen. Das Singen, Klatschen, Springen ist zurück. Zum Sieg reicht es dennoch nicht mehr.
Der Schiedsrichter pfeift ab, wird von der Militärpolizei, wie in Brasilien üblich, in die Kabine geleitet. Es war auch die Polizei, die die Einlasskontrollen durchführte. Es war aber auch sie, die für meine Augen, kaum in und um das Stadion vertreten war. Mehr Polizei sei zu teuer, sagt mir mein Platznachbar, als ich ihn darauf anspreche.
Durch zwei schmale Ausgänge bahne ich mir nun den Weg nach draußen. Hier warten einige Polizisten mehr, die sich angeregt über das Spiel unterhalten. Außen angelangt schlängelt sich eine Welle an kleinen mobilen, improvisierten Grillständen vorbei, langsam gen Autos.
Das Spektakel ist vorbei. Übrig bleibt eine Unmenge an Müll und der frohe Blick in die Zukunft, das nächste Gre-Nal wieder in Porto Alegre im geliebten Beira-Rio spielen zu können.
Jogo Bonito im Land der Gauchos – EC Nova Petrópolis
Ein Ball, zwei Tore und ein paar Kameraden zum Spielen. Mehr braucht es nicht, um das Jogo Bonito zumindest zu zelebrieren. Nur ein wenig mehr braucht es in Nova Petrópolis in Rio Grande do Sul. Eine Stadt, 20.000 Einwohner, ein Klub in einer Bezirksklasse.
Was im Deutschen immer wieder gern als „Kreisklasse-Niveau“ bezeichnet wird, reicht in Brasilien voll und ganz aus. Der Platz des EC Nova Petropólis ist klein, der Rasen mit kleinen Hügeln übersäht. Bei meinem Besuch duftete es nach frischer Farbe, die an den Wänden und Zäunen des Vereinshauses klebte.
Am Eingang begrüßten drei Chimarrão trinkende Männer den Gast aus dem fernen Deutschland. Auf meine Frage, ob ich denn auch Fotos machen dürfe, antworteten sie zugleich mit einem freundlichen ‚Ja’. Das Gittertor wurde beiseite geschoben und ich betrat das erste Mal ein brasilianisches Fußballfeld.
Auf der linken Seite saßen ein paar Vögel, die am ungleichmäßig gewachsenen Gras knabberten, meine Begleiterin warnte mich zugleich, dass sie sehr aggressiv seien und man ihnen besser nicht zu nahe käme. Mein Weg führte mich hinüber zum Kabinentrakt. In der Mitte der Eingang zu den Umkleiden der Hausherren, links der Stand der Polizei und rechts die Räume für die Unparteiischen.
Trikots hängen über den Mauern, Müll liegt vor den Türen. Es ist alles ein wenig anders als von kleinen deutschen Klubs gewohnt. Die Kabinen dunkel, das Metall rostig und das Holz knackst. Die VIP-Lounge darüber ist mit Gittern geschützt. Daneben ragt eine längst baufällige Tribüne in den Himmel. Die Farbe bröckelt von den Steinen, der Wachhund fühlt sich hier pudelwohl.
Waren die Kabinen der Hausherren schon ein Novum für meine Augen, so sind sie vom Anblick der Gästeumkleiden nahezu geschockt. Auf der anderen Spielfeldseite, in einer Ecke steht ein kleines Haus. Hier sind die Duschen und die Räume für die jeweiligen Gäste untergebracht. Im Ausmaß und der Qualität weder mit denen der Hausherren zu vergleichen noch mit den gewohnten aus deutschen Gefilden. Hier sind die Kabinen noch dunkler, das Metall rostiger und das Holz knackst lauter.
Bei all den augenscheinlich fälligen Reparaturen sitzen die Männer am Eingang stets seelenruhig. Der Chimarrão wird wieder mit heißem Wasser aufgefüllt, die Arbeit mit der Farbe in Ruhe fortgesetzt. Die Hektik aus deutschen Vereinen gebe es nicht, meint der eine, es sei dennoch alles gut, der andere.
Recht haben sie. Alles was es zum Fußballspielen braucht, haben sie. Zwei Tore, sogar mehr Bälle und dazu noch zwei Kabinentrakte. Wild romantisch würden einige sagen, bodenständig und einfach purer Fußball meine ich.
Ach und die zwei, drei Jugendlichen, die während meines Besuches gegen den Ball getreten haben, hatten vielleicht nur brasilianisches „Kreisklasse-Niveau“, in Deutschland sehnt sich jeder noch so kleine Klub nach solchen Talenten, die im Land von Pelé vielleicht noch nicht einmal bemerkt werden…
- Ein Besuch beim EC Nova Petrópolis
- Der Platz des EC Nova Petrópolis
- Der Kabinentrakt der Hausherren
- Der Kabinentrakt der Hausherren
- Der Kabinentrakt der Hausherren und der Platz der Polizei
- Eingang zu der Kabine
- Besuchertoiletten an der Gegengerade
- Die Gegengerade
- Der Platz des EC Nova Petrópolis
- Der Platz des EC Nova Petrópolis
- Der Platz des EC Nova Petrópolis
- Der Platz des EC Nova Petrópolis